10. März
Heute Nachmittag erstrahlte der Stuttgarter Schlossgarten in einem ganz besonderen Licht, dem Licht von Heiligenscheinen, genauer gesagt: im Licht der Scheinheiligkeit. Grund war die CDU-Gemeinderatsfraktion, die dem Park einen Besuch abstattete, um sich höchstpersönlich ein Bild von dem „Schandfleck“ zu machen. Gut koordiniert mit der Bild-Zeitung, die dazu wieder einmal ein „wildes Zelt“ als Bildaufmacher brachte und sich über Drogenhandel im Park und sonstige Schauergeschichten auslies. Das war zu erwarten und passiert genau in der Logik, in der die Chaoten mit den Politikern in ihrer Unreflektiertheit paktieren.
Nein, nicht der Schandfleck der durchgeknallten "Wassermanager“ war das Ziel, sondern das Camp der Parkwächter. Man könnte nun sich hier über die Verlogenheit dieser Damen und Herren auslassen, die so tun als wäre ihnen der Park ein Anliegen, während sie nichts dringlicher herbeisehnen, als das große Loch, in das sie ihn versenken werden. Aber das ist zu einfach. Dass das Problem tiefer liegt, soll eine kleine Anekdote verdeutlichen: Auf die Frage an einen der Herren (jung, dynamisch, Guttenberg-geeliert) was er von den Bildern der Installation „PARKBEFRIEDUNG“ halte, fragt er zurück: „Welche Bilder? Ich habe keine Bilder gesehen?!“ 20 min stand dieser Herr mit der Nase davor und behauptet nichts gesehen zu haben. Nun könnte man natürlich wieder den Ruf „Lügenpack“ anstimmen, was ja bekanntlich politisch unkorrekt ist. Das Problem ist aber, dass er wahrscheinlich die Wahrheit sagt. Wahrnehmung ist bekanntlich intentional, sie ist immer ein Akt der subjektiven Konstruktion. Einfacher gesagt: wir nehmen nur wahr, was wir aktiv erzeugen, wir sehen etwas, weil wir uns für etwas öffnen, wir erkennen etwas, weil wir uns dafür interessieren. Es ist also tatsächlich glaubhaft, dass er subjektiv nichts gesehen hat, weil er einfach nicht sehen kann, was er nicht sehen will und stattdesen das sieht, was er sehen will! Und das erklärt auch die ganze Politik dieser Damen und Herren: Sie ist Ausdruck der prinzipiellen Unfähigkeit reflektiert wahrzunehmen. Hinschauen, zuhören, mitdenken- Fremdwörter für diese Art Politiker. Daraus resultiert das Dilemma der gegenwärtigen Politik.
Wie könnte diesen Menschen geholfen werden? Ich bin ratlos. Aber vielleicht gibt es bald eine Mehrheit von BürgerInnen und Bürgern, die weiter sind als diese Spezies und sie einfach nicht mehr wählen. Man darf gespannt sein auf den 27. März. Noch gibt es Hoffnung, dass die Mehrheit schon weitsichtiger ist als die Politiker das denken.